Der lange Konflikt um die grüne Insel
Keine erfreuliche, aber eine hoffentlich lehrreiche Folge zur komplizierten Beziehung zwischen Großbritannien und Irland: Von Besatzungen und Rebellionen, Enteignungen und Guerillakriegen. Wo keiner so recht weiß, wie er das Kind beim Namen nennen soll, wo Misstrauen und Diskriminierung an der Tagesordnung sind, und keine Seite mehr ohne Schuld ist. Mit einem Schimmer Hoffnung und trotz allem einer Reiseempfehlung.
[Hördauer: 39 Minuten]
Zum Thema Irland und Nordirland werden immer wieder die klassischen vier (bzw. drei bis sechs) irischen Provinzen Ulster, Munster, Connacht und Leinster genannt, die einmal von Familiendynastien wie den O’Neill, O’Brien oder O’Conor beherrscht wurden. Über den keltischen Provinzkönigen gab es auch eine (größtenteils legendäre) Reihe von Hochkönigen, die von Tara aus regierten. Die Römer und die Angelsachsen ließen Irland größtenteils links liegen, aber die Wikinger nicht. Sie begründeten unter anderem die Siedlung, die heute Dublin ist. Auch die irische Kirche hatte einen gewissen Einfluss.
Unter Heinrich II. fielen ab 1169 dann die Normannen in Irland ein und begannen 700 Jahre englischer Herrschaft auf der Insel, auch wenn sich diese de facto meist nur auf das Gebiet des Pale beschränkte. Heinrich VIII. schuf 1541 das Königreich Irland und begann die berüchtigten plantations von protestantischen Siedlern auf der Insel.
Mit dem Neunjährigen Krieg (1594-1603) wehrten sich die Iren unter Hugh O’Neill erstmals gegen die englische Herrschaft. Elizabeth I. und Lord Mountjoy schlugen die Rebellion nieder, und nach der Flucht der Grafen (engl. Flight of the Earls) setzte James I. die plantations vor allem in Ulster fort; Derry wurde zu Londonderry und direkt der Krone unterstellt.
1641 kam es zur nächsten irischen Rebellion, die eskalierte und zum ersten Mal Tausende Opfer unter den protestantischen Siedlern forderte (u.a. in Portadown). Sie markiert den Wendepunkt in der Beziehung zwischen katholischen Iren und protestantischen Siedlern.
Im Englischen Bürgerkrieg schlugen sich die katholischen Rebellen Irlands auf die Seite von Charles I. Doch der verlor (auch seinen Kopf), und unter Oliver Cromwell wurde Irland brutal zurück erobert. Die Enteignungen und plantations gingen weiter, vor allem mit Veteranen aus Cromwells New Model Army. Mit Strafgesetzen (penal laws) wurde die katholische Bevölkerung Irlands dauerhaft diskriminiert.
Ab 1791 entwickelte sich aus der Society of United Irishmen eine neue Freiheitsbewegung. Als Gegenbewegung auf protestantischer Seite wurde u.a. der Oranier-Orden gegründet. Viele Strafgesetze wurden abgeschafft, aber dennoch kam es 1798 zu einer neuen Rebellion, die niedergeschlagen wurde. Mit dem Act of Union schaffte man 1801 das Königreich von Irland ab und verleibte die Insel dem „Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland“ ein. Der Union Jack ist seitdem um das rote St.-Patrick-Kreuz ergänzt.
Das 19. Jahrhundert in Irland war geprägt von der Katholikenemanzipation, aber auch der Großen Hungersnot infolge der Kartoffelfäule und den Kampf der Irish Land League gegen Großgrundbesitzer wie Charles Cunningham Boycott.
1873 wurde die Home Rule League für ein Recht auf Selbstbestimmung und eine eigenständige irische Regierung innerhalb des Vereinigten Königreiches gegründet, aus der 1882 die Irish Parliamentary Party (IPP) entstand. Gegen den Widerstand der Unionisten in Ulster passierte das Home Rule Bill 1912 das britische Parlament, wurde aber wegen des Ersten Weltkrieges nicht umgesetzt.
Mit dem Ziel einer eigenständigen Republik Irland vor Augen und nach den Geschehnissen des Osteraufstands von 1916, lief die Partei Sinn Féin der IPP 1918 den Rang ab. Sie proklamierte eine irische Republik, berief das Untergrundparlament Dáil ein und machte die paramilitärische (alte) Irish Republican Army (IRA) zur offiziellen Armee Irlands. Es folgten der irische Unabhängigkeitskrieg (1919-1921) und schließlich der Anglo-Irische Vertrag, mit dem 1922 der Irische Freistaat als Dominion begründet wurde, getrennt von Nordirland (6 der 32 counties).
Damit waren die echten irischen Republikaner nicht zufrieden, und es folgte der irische Bürgerkrieg (1922-1923), der erst zur Gründung der Partei Fianna Fáil und 1932 zur Gründung der Republik Irland führte, mit Éamon de Valera als erstem Premierminister.
Der eigentliche Nordirland-Konflikt (engl. the Troubles) entstand aus der fortgesetzten Diskriminierung (meist katholischer) irischer Nationalisten und Republikaner durch (meist protestantische) Unionisten. Gegen die Politik der Ulster Unionist Party (UUP) ging ab den 1960ern die Bürgerrechtsbewegung Northern Ireland Civil Rights Association (NICRA) auf die Straße. Die gewaltsame Gegenwehr der Unionisten, der britischen Armee und der Royal Ulster Constabulary (RUC) lösten eine Gewaltspirale aus, an der maßgeblich paramilitärische Organisationen wie die Ulster Volunteer Force und die Provisional Irish Republican Army (PIRA, Provos) beteiligt waren.
Als Ereignisse werden hier erwähnt der Blutige Sonntag am 30. Januar 1972 in Derry (von 1998-2010 im Saville-Report aufgearbeitet) sowie die Bombenanschläge der IRA auf Margaret Thatcher und die britische Regierung im Grand Hotel in Brighton 1984 und in Manchester 1996.
1998 gipfelte der Friedensprozess im Karfreitagsabkommen, auch unter der Beteiligung von Sinn Féin unter Gerry Adams. Die Paramilitärs wurden daraufhin entwaffnet, die IRA hat sich offiziell 2005 aufgelöst, und Nordirland hat heute in Belfast wieder eine eigene Regionalregierung (neben dem Nordirlandministerium in London), in der Nationalisten wie Unionisten vertreten sind. Die im Laufe des Konflikts errichteten Friedenslinien (engl. peace lines) sollen bis 2023 wieder abgebaut werden.
Die Folge schließt mit einigen grundsätzlichen Reisehinweisen für Nordirland (mit einem Verweis auf Folge 33 zu nordirischen Pfund-Noten), einem persönlichen Hinweis auf mögliche Unregelmäßigkeiten in der Veröffentlichung zukünftiger Viva-Britannia-Folgen, und der Bitte, Hörerfragen für die Patreon-Sonderfolge doch an mail@vivabritannia.de zu schicken.
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