Vom Mittelalter bis zu den Romantikern
Mehr als nur William Turner: Höhepunkte der britischen Malerei bis 1850. Von Bilderstürmern, Krankenhauskunst und Pferdeporträts. Wo des Königs liebster Maler nicht Hofmaler wird, englische Adelige auf große Kultour gehen und die Franzosen den Wert eines Heuwagens erkennen. Wie der Urvater der Comics das Urheberrecht verbesserte und was Hannibal Lecter mit den Doors verbindet.
[Hördauer: 29 Minuten]
Eine Sendung über die Malerei im Vereinigten Königreich. Von religiösen Werken aus dem Mittelalter ist nach dem Bildersturm der protestantischen Reformation nicht mehr viel erhalten, nur vereinzelt Buchmalerei wie in der Winchester Bible oder Tafelbilder wie das Westminster Retable. Danach beherrschten zunächst Maler vom Kontinent die Szene, wie Hans Holbein der Jüngere als Hofmaler von Heinrich VIII. oder Peter Paul Rubens, der von Kunstsammler Charles I. (enthauptet 1649 nach dem Englischen Bürgerkrieg) als erster Maler zum Ritter geschlagen wurde. Die jungen reichen Briten gingen als Teil ihrer kulturellen Ausbildung lange Zeit auf die grand tour durch Europa.
Im Barock malte James Thornhill einen Speisesaal des von Königin Mary II. initiierten und Christopher Wren entworfenen Greenwich Hospital (siehe Folge 51) aus, der seitdem nur als Painted Hall bekannt ist. Daneben war er an der Innenausstattung der St. Pauls Cathedral und diverser Privatresidenzen beteiligt.
William Hogarth war Thornhills Schüler und Schwiegersohn. Er ist für satirische Kupferstiche bekannt wie seine modern moral subjects, die Marriage a-la-mode oder Beer Street und Gin Lane, die vermutlich im Auftrag von Henry Fielding (siehe Folge 64) entstanden sind. Als Pionier der westlichen „sequentiellen Kunst“ gilt Hogarth als einer der Väter des Comics. Außerdem ist er für das zweite Urheberrechtsgesetz der Geschichte verantwortlich, den Engraver’s Copyright Act 1734, der das Statute of Anne 1709 von Büchern auch auf Kupferstiche ausweitet.
Der Porträtist Thomas Gainsborough arbeitete vor allem im Städtchen Bath. Sein bekanntestes Bild ist The Blue Boy (Der Knabe in Blau), das Johnathan Buttall in einem blauen Kostüm des 17. Jahrhunderts zeigt, so wie Gainsboroughs großes Vorbild Anthonis van Dyck 100 Jahre zuvor einen Jungen in Rot gemalt hatte. Das Gemälde ist heute im Nachlass von Henry E. Huntington bei Los Angeles zu besichtigen. Später porträtierte Gainsborough auch George III. und dessen Gattin Charlotte, zum Hofmaler wurde er aber nicht ernannt.
Die Ehre der Ernennung zum Hofmaler ging an Gainsboroughs Rivalen Joshua Reynolds. Beide waren frühe Mitglieder der Royal Society of Arts und Begründer der Royal Academy of Arts. Reynolds wurde für die Übertragung des grand style aus der Historienmalerei in die Porträtmalerei bekannt.
George Stubbs war der Sohn eines Gerbers und interessierte sich für Malerei und Anatomie gleichermaßen. 1766 veröffentlichte er The Anatomy of the Horse. Nebenbei malte er zahlreiche Tierporträts, vor allem von Pferden, aber auch die erste Darstellung eines Kängurus und eines Dingos.
Der bedeutendste deutsche Maler der Romantik war Caspar David Friedrich. Bei den britischen Landschaftsmalern war dies zum einen John Constable, der vor allem Landschaften in Sussex und Essex verewigte und sich sehr für Meteorologie interessierte. Sein bekanntestes Werk ist The Hay Wain (Der Heukarren), der dank Théodore Géricault beim Pariser Salon ausgestellt wurde, worüber Constable in Frankreich deutlich bekannter wurde als in England. Er beeinflusste auch Auguste Delacroix, die Schule von Barbizon und die späteren Impressionisten. Heute hängt „Der Heukarren“ in der National Gallery und die dazugehörige Ölskizze im Victoria and Albert Museum (siehe Folge 62). Laut BBC-Umfrage von 2005 ist es das zweitbeliebteste Gemälde der Insel.
Das beliebteste Gemälde der Insel laut der gleichen Umfrage ist The Fighting Temeraire (Die letzte Fahrt der Temeraire) von Joseph Mallord William Turner. Es zeigt die aus der Schlacht von Trafalgar bekannte HMS Temeraire auf der letzten Fahrt vor dem Abwracken. Es ist Turners spätes Lieblingsgemälde. Sein erstes ausgestelltes Ölgemälde war Fishermen at Sea (Fischer auf See). Privat lebte Turner die letzten 18 Jahre seines Lebens bei seiner Geliebten Sophia Booth. Nach seinem Tod wurde er in der St. Pauls Cathedral direkt neben Joshua Reynolds beigesetzt. Alle seine unverkauften Werke vermachte er dem britischen Volk. Die größte Sammlung von Turner gibt es in der Tate Gallery. Die Temeraire hängt wie Constables „Heukarren“ in der National Gallery. Um den älteren William Turner geht es auch in dem Film Mr. Turner von Mike Leigh von 2014, mit Timothy Spall in der Hauptrolle.
Der letzte Romantiker dieser Folge ist der Mystiker William Blake. Seine dichterischen und malerischen Visionen stießen bei Okkultisten wie Aleister Crowley (siehe Folge 57) auf Interesse, besonders aber auch in der Gegenkultur der 1950er und 1960er. Anleihen findet man z.B. bei Bob Dylan, Allen Ginsberg, Van Morrison, U2 und Tangerine Dream. Aldous Huxley benannte das Buch The Doors of Perception (1954) über seine Drogenerfahrungen mit Meskalin nach einem Zitat von Blake, und von da übernahm Jim Morrison den Namen wiederum für seine Band The Doors. Das Blake-Gemälde The Great Red Dragon and the Woman Clothed In Sun (Der große rote Drache mit der von der Sonne bekleideten Frau) zur Offenbarung des Johannes spielt eine tragende Rolle im Hannibal-Lecter-Roman „Roter Drache“ von Thomas Harris und damit auch in zwei Filmen und der aktuellen dritten Staffel der Fernsehserie Hannibal.
Um britische Maler nach 1850 – wie die Präraffaeliten, Francis Bacon, David Hockney und Damien Hirst – wird es in einer späteren Folge gehen.
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